Genetikk – D.N.A.

(06/2013)

 

 

Das größte Problem, das ich mit diesem Album habe, ist wohl meine eigene, unermesslich hohe Erwartungshaltung. Und die Sorge, wie und ob sich Genetikk verändert haben. Das führt zur klassischen Frage: zum ewigen Streit zwischen Realness und Fake, zwischen Sich-Treu-bleiben und Sich-weiterentwickeln. Dabei weiss ich auch nicht, was mir lieber ist. Das kommt wohl immer ganz drauf an. Insgesamt gefällt mir das Album schon sehr gut, es ist um Längen beser als das Gros der aktuellen Veröffentlichungen Die Beats sind mit sehr wenigen Ausnahmen allesamt amtliche Bretter, richtige Banger, die zum Kopfnicken anregen. Das war ja wohl auch der Plan. Allerdings kommt mir der Beat von „Triumph“ schon seehr bekannt vor. Karuzo webt wieder seinen Zitate-Teppich und flowt, was das Zeug hält. Insofern soweit alles erstmal gut.

Aber meine Befürchtung hat sich vielleicht doch bewahrheitet: der Fame tut den Beiden nicht so gut. Die paar gesungenen Hooks finde ich fast allesamt nervig und das Feature mit Sido ist so dermaßen aufs Radio zugeschnitten, dass man sich doch schon sehr wundern muss. Vielleicht liegt’s aber auch an Sido und er macht einfach nichts anderes mehr als charttauglichen Pop-Rap. Könnte auch „Bilder im Kopf 2“ heissen, der Song. Für mich der einzige Skip-Kandidat beim Durchhören der Platte.

Genetikk sind im Mainstream angekommen, ob man will oder nicht. Ob sie das wollen oder nicht, ist auch eine gute Frage. Aber mich beschleicht das Gefühl, dass einige Passagen, insbesondere eben die Gesangsparts und vor allem der Track mit Sido zu durchgeplant sind, zu berechnet und berechnend. Die Jungs wissen schon, was sie tun, das hat nicht nur die übertriebene Marketing-Maschinerie gezeigt, die voll gezündet hat: In nur drei Jahren vom wirklich unbekannten Niemand und totalem Underground bis in den Spiegel. Einerseits kann man sich natürlich für die Beiden freuen. Man kann sich auch darüber freuen, dass anständiger, leidlich harter Rap im Radio kommt. Man kann andererseits aber auch traurig sein, dass ein weiterer Lieblings-undergroundkünstler auf einmal von allen gehört wird. An sich nichts schlimmes, Qualität setzt sich eben durch.

Nur ärgerlich, wenn man hören kann, wie jemand seinen Drive verliert und ein zahnloser Tiger wird. Ganz so schlimm ist es bei Genetikk zum Glück (noch?) nicht. Trotzdem fehlen mir teilweise Ecken und Kanten, die auf Fötus und auf Voodozirkus noch da waren, D.N.A. ist schon eine sehr runde Sache. Kann man gut finden, muss man aber nicht. Genau wie die Abkehr von der totalen Verweigerung, Persönliches preiszugeben. Wieder die Frage: künstlerischer Reifeprozess oder Bruch mit den Prinzipien? Dabei sind die beiden persönlicheren Tracks definitiv sehr gelungen. Was mich aber wirklich ärgert, ist das Motrip-“Feature“: Warum zur Hölle liefert er keinen richtigen Part ab? Sattdessen wird er ganz am Schluss des Outros versteckt. Was man wiederum gut verstehen kann, wenn man sich das Gejaule anhört. Meine Fresse, einen so guten Rapper so zu verschenken kann und will ich nicht verstehen. Auch vom RZA-Part hatte ich mir irgendwie mehr erhofft. Klingt so, als hätte er sich irgendwie nicht richtig Mühe gegeben. Trotzdem geil.

Alles eine Frage der Erwartungshaltung. Und alles Gejammer auf hohem Niveau, gewissermaßen Luxusprobleme. Das Album fetzt schon sehr doll insgesamt. Schön, dass die hippen Kids endlich wieder was cooles abfeiern können.

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