Im Laufe der Handlung von Mafia III soll ich irgendwann eine Bar ausrauben, die in erster Linie von korrupten Cops frequentiert wird. Dummerweise stehen die nämlich nicht auf meiner Gehaltsliste, sondern auf der meines Widersachers. Weil ich mir im Vorfeld keinerlei Gedanken über mein Vorgehen gemacht habe, stolpere ich mehr oder weniger in mein Verderben und greife einfach in die Kasse. Was natürlich nicht unbemerkt bleibt. Also boxe ich mit prall gefüllten Taschen ein paar Polizisten um und versuche, mich aus dem Staub zu machen. Auf der Straße entbrennt dann eine Schießerei, bei der leider einige Polizisten dran glauben müssen, bis ich es letzten Endes gerade so schaffe, mir ein Polizeiauto zu klauen. Mit quietschenden Reifen und im Kugelhagel düse ich davon. Aber natürlich folgt mir ein ganzer Schwarm aufgebrachter Polizisten: schließlich bin ich nun ein echter Copkiller und habe nicht nur das Geld der korrupten Bullenschweine, sondern obendrein auch noch eines ihrer Autos geklaut. Nach einer genauso wilden wie ausgiebigen Verfolgungsjagd samt Driveby-Schießereien fahre ich die Karre letzten Endes mit Vollgas ins Hafenbecken von New Bordeaux. Die Polizisten bin ich los: unter Wasser klettere ich aus dem Wagen und schwimme in Sicherheit. Ein paar Hundert Meter weiter klettere ich triefend, aber völlig unbemerkt aus dem Wasser. Yeah!
Mafia III ist – genau wie Mafia II – im Grunde ein langer Mafia-Film, bei dem man alle Autofahrten, Schlägereien und Schießereien selbst übernimmt. Allerdings hat das im zweiten Teil alles irgendwie ein bisschen besser funktioniert. Aber nicht einfach nur deshalb, weil die Story fesselnder war (oder einfach Mafia-typischer?) sondern auch deswegen, weil es jetzt sehr viel mehr abseits der Haupthandlung zu tun gibt. Paradox: was dem zweiten Teil noch vorgeworfen wurde, wird dem dritten zum Verhängnis. Denn die offene, sehr viel größer gewordene Welt bleibt trotzdem seltsam (inhalts-)leer. Wir können zwar beispielsweise diverse Restaurants und Shops betreten, in ihnen aber leider nicht viel mehr tun, als die Kasse mitgehen zu lassen und den Wirt umzuhauen, wenn er sich deswegen beschwert. Oder wir warten, bis wir herausgeworfen werden, beziehungsweise bis die Polizei gerufen wird. Denn wir sind in weiten Teilen der Stadt und insbesondere in vielen Geschäften und Restaurants schlichtweg unerwünscht. Warum? Wir spielen eine POC. Was in Mafia III durchaus wichtig ist: Die Darstellung von Rassismus wird direkt zu Spielbeginn durch einen Disclaimer thematisiert. Und darin ist Mafia III auch wirklich gut: Der unerbittlichen Darstellung von Rassismus.
Wir fühlen uns zum Beispiel wirklich extrem schlecht, wenn wir an einer älteren, weißen Dame vorbeilaufen, die sich panisch an ihrer Handtasche festklammert, einfach nur, weil die Hautfarbe des von uns gespielten Protagonisten dunkler ist als die ihre. Wir werden auch ständig angepöbelt, zum Beispiel, wenn wir am Haupteingang eines Clubhauses vorstellig werden: Wir sollen gefälligst den Hinter- beziehungsweise Lieferanteneingang benutzen. Immerhin spielt die Handlung in New Bordeaux, einer fiktiven Stadt, die New Orleans im Jahre 1968 nachempfunden ist. Es wäre schlicht extrem unrealistisch, wenn das ausgeklammert worden wäre. So bleibt uns nichts anderes übrig, als damit irgendwie umzugehen und uns damit auseinanderzusetzen. Eine nicht gerade geringe Leistung für ein Videospiel.
Was Mafia III außerdem wirklich hervorragend gelingt, ist die spannende Einführung: Auf mehreren unterschiedlichen Zeitebenen wird ein komplexer Bogen gespannt, der obendrein auch noch aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Ein grandioser Einstieg, der außerdem auch noch überraschend lange dauert. Nur leider kann Hangar 13 das hohe Niveau nicht konstant halten. Insbesondere abseits der Story-Missionen: Spätestens, wenn wir unsere drei Capos (oder wie auch immer wir die Unterbosse nennen wollen) eingesetzt haben, wird das Schema klar, nach dem wir den Rest der Stadt erobern sollen. Aber auch die Motivation dafür lässt irgendwie zu wünschen übrig: Sicher, was dem Protagonisten – also uns – widerfährt, schreit geradezu nach Rache.
Aber irgendwie scheint er sich nicht so recht entscheiden zu können: Einerseits tritt er als Saubermann und bessere Alternative zu dem amtierenden Mafiaboss Sal Marcano auf, andererseits wird überhaupt nicht klar, wieso wir das geringere Übel sein sollten. Gut, Heroin wird durch Gras ersetzt und die Prostitution scheint komplett aus der Welt geräumt zu sein. Aber um das zu erreichen, haben wir Dutzenden von Gegnern den Garaus gemacht. Zugute halten müssen wir den Entwicklern aber unter anderem auch, dass es in den Optionen zumindest eine Einstellungsmöglichkeit gibt, die uns auch „non-lethal“-Takedowns performen lässt.
Bei vielen mehr oder weniger wichtigen Schlüsselfiguren dürfen wir uns entscheiden, ob wir sie ausschalten oder doch lieber für unsere eigenen Zwecke nutzen wollen und sie kurzerhand rekrutieren. Unverständlicherweise gibt es diese Möglichkeit bei anderen, Story-relevanten Figuren, die wir „konfrontieren“ sollen, aber zum Beispiel gar nicht. Da haben wir dann keinerlei Einfluss darauf, ob sie getötet werden oder nicht. Und das werden sie, und zwar zuhauf. Auch die sonstigen Maßnahmen, die Lincoln Clay so ergreift, stoßen zu Recht auf Entsetzen bei einigen (aber irgendwie zu wenigen ) Figuren im Spiel. Die einzige wirklich moralische Instanz scheint der Priester zu sein, dessen Bedenken von uns aber mit einem ziemlich lapidaren „I gotta go“ abgespeist werden, ohne dass wir etwas daran ändern könnten. Da wären Dialogoptionen doch ganz nett. Auch dass Lincoln Clay im Vietnamkrieg taktische Kriegsführung gelernt hat, macht es nicht besser, dass er seine Widersacher brutalst ermordet und anschließend weithin sichtbar am Riesenrad aufhängt. Und dass wir das eben in keinster Weise beeinflussen können.
Schön wäre es auch gewesen, wenn wir zum Beispiel mal unsere Kleider hätten wechseln können und nicht andauernd in denselben Armeeklamotten unterwegs wären. In Mafia II konnten wir immerhin zum Ausstatter gehen und uns in teure Maßanzüge schmeißen, wieso geht das jetzt nicht mehr? [UPDATE: Gibt es mittlerweile!] Wir können uns leider noch nicht mal was zu Essen oder Trinken kaufen. Von irgendwelchen Minispielen wie beispielsweise Poker, Wettschießen, Boxkämpfen oder ähnlichem mal ganz abgesehen. Genau so etwas hätte die eigentlich sehr detaillierte Spielwelt von Mafia III noch deutlich lebendiger machen können und uns vielleicht etwas mehr motiviert, auch abseits der Wege auf Erkundungstour zu gehen.
So beschränken sich unsere Tätigkeiten auf einige wenige Hauptaktivitäten wie zum Beispiel das Umherfahren (praktischerweise dürfen wir zwischen einem sehr einfachen Arcade-Fahrmodus und der Simulationsvariante wählen), was zugegebenermaßen sehr viel Spaß macht. Was zum einen an den vielen unterschiedlichen, zeitgenösssischen Fahrzeugen liegt, zum anderen aber an dem schlichtweg fantastischen Soundtrack. Über 100 original lizenzierte Songs aus den späten Sechzigern passen perfekt und machen gute Laune. Es dauert dann auch erfreulich lange, bis sich die Tracks wiederholen.
Ganz im Gegensatz zu den Aufgaben, die wir erledigen müssen, um die einzelnen Stadtteile einzunehmen. Im Endeffekt läuft es immer nach folgendem Schema: Wir treffen eine Kontaktperson, die uns erklärt, wer das Sagen hat und wie wir ihm Herr werden. Dazu müssen wir anschließend auf der Karte markierte Orte abklappern, an denen wir dann auf Gegner treffen. Die gilt es meist auszuschalten oder zu verhören. Nebenbei sollen wir möglichst viel Geld einsammeln und irgendwelche wichtigen Dinge unserer Widersacher zerstören. Dabei spielt es für das Gefühl oder den Spaß dabei keine große Rolle, ob das nun illegal gebrannter Schnaps, geklaute Autos, Drogen oder sonstwas ist. Im Idealfall haben wir irgendwann so viel Schaden angerichtet, dass der jeweilige Obermotz aus seinem Loch gekrochen kommt und wir ihn „konfrontieren“ aka umbringen können. Wobei wir wie gesagt leider keine Wahl haben.
Allerdings haben wir beinahe immer die Wahl, ob wir leise und schleichend vorgehen oder direkt mit der Tür ins Haus fallen und wild um uns schießen (oder auch weniger wild, beispielsweise mit Schalldämpfer und Scharfschützengewehr). In punkto Stealth erweist sich Lincoln Clay überraschendeweise als echtes Naturtalent, seine Gegner allerdings leider als unfassbar dumm und halb blind. Es stellt beispielsweise kein Problem dar, direkt vor den Augen unserer Feinde von einer Seite der Tür auf die andere zu wechseln – sie kriegen davon nicht das Geringste mit. Es stellt auch ein Leichtes dar, sie in die Irre zu locken und einen nach dem anderen einfach und ziemlich stressfrei auszuschalten. Die offene Konrontation gestaltet sich da schon etwas nervenaufreibender, aber das macht die Gegner-KI auch nicht besser.
Besonderes Schmankerl, wenn es um seltsame Design-Entscheidungen in Mafia III geht: Im Schleich-Modus bewegt sich Lincoln Clay leise und gechmeidig – wollen wir allerdings zum Beispiel an einer Wand in Deckung gehen, wirft sich unser Antiheld mit einem lauten „Klonk“ dagegen. Das hören unsere Gegner zwar zum Glück nicht, aber das müssten sie eigentlich – was natürlich ganz gewaltig die Immersion zerstört.
Bitte nicht falsch verstehen: Das Ganze macht trotz der irgendwann recht repetitiven Spielmechanik (die aber immerhin immer an unterschiedlichen, abwechslungsreichen und interessanten Orten stattfindet), der unnötigen Blutrünstigkeit und der Glorifizierung von Selbstjustiz einen Heidenspaß.
Eine Mission erfordert es zum Beispiel, dass ich den Wagen eines Fieslings mit einem Sender versehe, um ihn orten zu können. Weil der Unsympath gerade aus Kuba kommt, steht seine Luxuskarosse noch auf einem großen Frachtschiff. Das infiltriere ich unbemerkt und an Bord schalte ich ebenso unbemerkt einige Wachen aus und bringe den Peilsender an. Im Anschluss gilt es, zu fliehen und praktischerweise steht da eine weitere Karre auf dem Oberdeck. Die kommt natürlich wie gelegen und rein zufällig tut sich vor mir auch noch so etwas wie eine Sprungschanze auf: Rein ins Auto, Vollgas geben und ab dafür! Einen spektakuläreren Abgang gibt es wohl nicht.
Aber bei allem Spaß und der Epicness, die sich in solchen Momenten ergibt, trübt die Technik den Eindruck von Mafia III ganz gewaltig. In den Zwischensequenzen sehen wir, dass da sehr viel mehr gegangen wäre: Detaillierte Gesichter, deren Mimik wir in guten Momenten sogar so etwas wie Gefühle entnehmen können, wirken wirklich gut und sind hübsch und filmisch anzuschauen. Aber im Spiel selbst ploppen Autos wenige Meter vor uns ins Bild, es ruckelt die ganze Zeit mehr oder weniger doll und die diversen Filter sorgen dafür, dass wir eher einen schwammigen, unscharfen Gesamteindruck bekommen. Auch hier haben wir es mit einem zweischneidigen Schwert zu tun: Der Regen wirkt echt, die Lichteffekte und Reflektionen können sich sehen lassen und auch New Bordeaux hat einiges zu bieten, unter anderem viele kleine Details. Aber egal, wie stark der Rechner ist: Es ruckelt. Daran ändert auch der 30 FPS-Lock nichts, der zunächst vorgeschrieben war und zwei Tage nach Launch durch drei Optionen ersetzt wurde (30FPS-, 60FPS-Lock oder unbegrenzt). Spoiler: Auf keiner der drei Einstellungen läuft Mafia III ruckelfrei. Auch ein zweiter Patch hat daran leider nichts geändert. Wer schon mal Star Wars: Battlefront oder das neue Battlefield in Full HD, mit 60 FPS und auf Ultra-Einstellungen gespielt hat, empfindet das wohl als einfach nicht mehr zeitgemäß (was es ja auch ist). Mafia III wirkt stellenweise eher wie ein PS3-Titel und nicht wie ein Spiel, das 2016 erschienen ist.
All das macht Mafia III natürlich zu keinem schlechten, aber eben auch nicht zu einem überragenden Spiel. Bessere Performance, bessere Gegner-KI, mehr Mini-Spiele samt lebendigerer beziehungsweise interaktiverer Welt, weniger repetitive Aufgaben, nachvollziehbarere Aktionen unserer Hauptfigur oder zumindest eine Wahl und ein Verzicht auf solche Entscheidungen wie das unglaubliche „Klonk“ beim in-Deckung-gehen – das würde aus Mafia III ein großartiges Spiel machen.
Disclaimer: 2K hat mir ein kostenloses Review-Exemplar von Mafia III für den PC zur Verfügung gestellt.