„Oh, Junge!“ Nachdem Baba Haft bereits mit dem ersten (Split)Video aus Russisch Roulette meinen Geschmack getroffen hat, übertrifft er mit der neuesten Video-Auskopplung „1999 Pt.1“ noch einmal meine Erwartungen. Auf einen wundervoll trocken klatschenden Beat und beinahe ohne jeden Reim rekapituliert er das Aufwachsen in seiner Gegend. Nach dem wahnwitzigen „Ihr Hurensöhne/Saudi Arabi Money Rich“ eine willkommene und gelungene Abwechslung, sowohl thematisch als auch musikalisch. Universal Urban versteht es bislang perfekt, die Vorzüge und Besonderheiten der Persona Haftbefehl und die seines Schaffens ins rechte Licht zu rücken: Sein ureigener, augenzwinkernder Humor paart sich mit dem unbedingten Willen zur Provokation – heraus kommt pures Amüsement sowie feiernde orthodoxe Juden und eine Louis Vuitton-Burka. Hafti kann aber eben auch anders: Wer eh gern mal aufs Versmaß scheißt und Montpellier auf Consilière reimt, kann auch einen klassisch-nostalgischen Memory Lane-Track zu einem schelmischen Banger umfunktionieren, der im Vorbeigehen Misstände anprangert und ernsthafte Sozialkritik vermittelt. Mein persönlicher Favorit des Herbstes bleibt also das Haftbefehl-Album „Russisch Roulette“. Schade, dass der Babo nicht gleichzeitig mit dem King of Rap Kool Savas und seinem ehemaligen Lieblings-Padawan Eko Fresh veröffentlicht. Der direkte Vergleich würde mich wirklich sehr interessieren.
Edgar Wasser – Bad Boy
Edgar Wasser haut nach dem Intro das erste richtige Video aus der kommenden „Tourette-Syndrom EP“ raus. Dabei legt er nachvollziehbar dar, warum Frauen im HipHop beziehungsweise Rap nichts verloren haben. Der gelungene, witzig-ironische Text geht sehr gut zu mir, nur das Video finde ich inkonsequent. Mut zur Hässlichkeit, Mut zu normalen Menschen würde ich mir hier wünschen. Aber nein, es sind alles auch noch sexy Schulmädchen. Naja, was solls: „Ich will nur sagen, es wär‘ toll, wenn ihr respektiert, dass man euch hier nicht respektiert.“
Witten Untouchable – Ausnahmetalente
Als ich damals die Review zum Witten Untouchable-Album „it was witten“ geschrieben habe, notierte ich mir den Beat von Ausnahmetalente. Der hat es auch immer noch in sich, Rooq beherrscht sein Handwerk. Genau wie Al Kareem, Magic Mess und natürlich Lakmann, die alte Creutzfeld & Jakob-Hälfte. „Leute meinen, ich wär oldschool – das ist der Wahnsinn – für mich ist oldschool Eric B. und Rakim.“ Ich werde wohl nie vergessen, wie ich mit den vier Jungs mal eineinhalb Stunden geskypt habe und anschließend nur eine Seite Interview in der Juice dabei heraus kam. Verständlicherweise fanden sie das nicht so toll und wenn es nach mir gegangen wäre, hätten sie auch 6 Seiten bekommen. Timeless:
Haftbefehl – Ihr Hurensöhne/Saudi Arabi Money Rich
Haftbefehl gibt offensichtlich überhaupt gar keinen Fick, wäscht seine Hände in Evian und pisst Dom Perignon. Er veröffentlicht ein neues Musik-Video, und das Internet explodiert. Von wegen, den Herbst beschäftigen Eko und Savas, er wird vom guten alten Baba Haft dominiert. Sein Album „Russisch Roulette“ löst bei mir größere Vorfreude aus als Savas‘ „Märtyrer“. Tim Bendzko, wirklich? Egal, Haftbefehl macht einfach wieder, worauf er Bock hat und liefert gleich zwei total wahnsinnige Dinger ab: „Ihr Hurensöhne“ erläutert, wo Euer Bild im Azzlackz-Duden zu finden ist, während „Saudi Arabi Money Rich“ Haftis Finanzen näher beleuchtet. Sein Vertrag bei Universal scheint was abzuwerfen und Haft viel M.I.A. gehört und gesehen zu haben. Das schreit nach einem Feature! Als Sahnehäubchen stammt zumindest der zweite Beat aus der Feder von Farhot, einem meiner aktuellen Lieblings-Produzenten. Als wäre das noch nicht genug, hat es ein alter Bekannter von mir (Anselm Baltes) irgendwie geschafft, sich in das Video reinzumogeln. Einer der (mehr oder weniger) orthodoxen Juden ist jemand, bei dem ich mit 14 mal übernachtet und Rage Against The Machine-Videos geglotzt habe! Wie auch immer: Watch out for „Russisch Roulette“!
Mädness – Maggo
Mädness hat schon vor einigen Tagen wieder von sich hören lassen und mit Yassin deutlich gemacht: „Ich sterbe für HipHop„. Dabei handelte es sich um das erste Lebenszeichen seit stolzen vier Jahren. Zu der Zeit kam „Zuckerbrot & Peitsche“ raus, auch heute immer noch ein gutes Album. Jetzt gibt’s mit „Maggo“ den Titeltrack zur kommenden EP (erscheint am 24.10. über Wortsport) und ordentliches Silbengewitter. Der Darmstädter spricht mir aus der Seele und lässt ordentlich einen vom Stapel, außerdem lernen wir offensichtlich seinen Bruder kennen. Eine Blaskapelle samt Cheerleader-Team verleiht dem Ganzen den passenden Rahmen und der Beat ist einfach nur verrückt. Willkommen zurück, Mädness!
PA Sports & Kianush – Desperadoz
Mit PA Sports & Kianush verbinden mich gleich mehrere Dinge. Das Interview mit PA zu seinem Album „H.A.Z.E.“ stellt meine erste Arbeit als freier Autor für die JUICE dar. Zu dem Album habe ich dann auch eine Review geschrieben und ich bin eigentlich seit jeher großer Fan von PAs Flow. Vor Kurzem habe ich mich dann mit PA Sports & Kianush anlässlich der Veröffentlichung ihres Kollabo-Albums „Desperadoz“ getroffen. Das Interview war äußerst interessant (es erscheint in der aktuellen JUICE) und wir haben unter anderem festgestellt, dass Kianush aus Münster kommt, wo ich sieben Jahre lang gelebt habe. Er hat sogar mal im dortigen Skater’s Palace gearbeitet, wo ich gefühlte 83 großartige Konzerte erleben durfte. Ich soll mich jedenfalls bei Kianush melden, wenn ich mal wieder in Münster bin.
Ursprünglich wollten mir die beiden noch vor dem Interview Teile des Albums vorspielen, was nicht ging, weil wir uns bei Wonder Waffel treffen mussten. Kurzerhand wurde dann nach dem Interview beschlossen, dass sie mir einfach ein paar Songs im um die Ecke geparkten Auto zeigen. Weil zuerst das Handy laden musste, kam ich in den Genuss, im Benz von PA Sports noch mit ihm und Kianush zu plaudern. Sie haben mich dann noch ein Stück mitgenommen und mir dabei sehr laut einige Tracks präsentiert, weil das im Fahren cooler ist als im Parken. Sehe ich auch so und habe mich währenddessen wie ein kleines Kind gefreut. Macht man schließlich nicht alle Tage: Mit echten Rappern in ihrem Benz durch Kreuzberg düsen, während ultra-laut deren unveröffentlichte Musik rausdröhnt. Ich habe mich auf jeden Fall sehr privilegiert gefühlt und war vor allem von „Ratten“ geflasht. Hier ist das zugehörige Video:
Zur Promo von Desperadoz haben sich PA Sports & Kianush nicht lumpen lassen und gleich mal eine Fortsetzungsgeschichte in vier Videos gedreht. Der Albumtrailer kommt ohne Musik aus und noch recht unspektakulär daher:
Im Intro befreit PA Sports Kianush aus dem Gefängnis und die beiden Desperadoz türmen per Flugzeug. Die Marschrichtung wird sofort deutlich: nach vorne.
Erstmal im Exil angekommen, gibt’s den „Desperado Lifestyle“ samt Knarren, Überfällen und undurchsichtigen Machenschaften, aus denen PA und Kianush glücklicherweise als Sieger hervorgehen.
Danach aalen sie sich in der Sonne und genießen ihren Reichtum, aus Langeweile muss eine zünftige „Blockparty“ her.
FIN.
Aber natürlich können die Zwei auch nachdenklich und sauer, wie „Life is Pain“ beweist. Daran hatte ja aber eigentlich eh nie jemand gezweifelt.
Obendrauf gibt es noch zwei ziemlich geile Video-Rapsessions, in denen ordentlich aggressiv Album-Parts weg-gecyphert werden: Hier und hier.
DJ Babu – „Rhythm Roulette“
DJ Babu ist nicht nur Teil der Dilated Peoples und der Beat Junkies, sondern auch ein unglaublicher Battle-DJ sowie Produzent. Davon zeugen mehrfache (gleichzeitige) ITF-Titel sowie die legendären „Super Duck Breaks“ oder die „Duck Season“-Reihe. In Mass Appeals „Rhythm Roulette“-Video mit DJ Babu können wir ihm bei der Arbeit zusehen. Er bekommt zunächst die Augen verbunden und muss im Plattenladen blind drei Schallplatten aussuchen. Aus diesen drei Platten soll er dann ein Sample auswählen und einen Beat produzieren. DJ Babu hat Glück und findet direkt auf der ersten Scheibe drei Stellen, die in Frage kommen. Nichtsdestotrotz wird der Rest auch noch durchgehört und anschließend dürfen wir dem Meister bei der Arbeit über die Schulter gucken – höchst interessant, unterhaltsam und von Grund auf sympathisch. Auch die anderen Rhythm Roulettes sind nicht nur für Beat-Bastler sehr empfehlenswert, beispielsweise die Ausgaben mit Apollo Brown oder Erick Sermon.
Mac Miller – Diablo
„If you don’t love me, then just lie to me.“ Eigentlich bin ich kein großer Mac Miller-Fan, auch wenn man seine Skills natürlich nicht von der Hand weisen kann. Mir haben bisher eher einzelne Songs aus seinem Gesamtwerk gefallen, oder Sachen wie das Quasi-/Marsimoto-artige Mixtape „Delusional Thomas“ (eines von Mac Millers gefühlten dreißig Alter Egos). Vor einigen Tagen habe ich aus Jux und Tollerei das neue Video „Diablo“ angeklickt, angehört und für angenehm befunden. Nichts Großartiges, nächstes Video. Das Seltsame ist nur: Seitdem habe ich den Song immer wieder gehört. Er geht mir nicht aus dem Kopf und gefällt mir von mal zu mal immer besser. Das liegt mit Sicherheit nicht an der Mütze, der Jacke und der Brille, die Mac Miller da sportet, sondern vielmehr an dem genialen Beat, den schwermütig-melancholischen Samples und der ungewohnten, aber richtig guten Vortragsweise. Dazu kommt natürlich noch der Inhalt. Deswegen schere ich mich keinen Dreck darum, dass der Song nicht der allerneuste ist, sondern hoffe, er wird dem einen oder der anderen genauso gut gefallen wie mir. „Cuz everybody got dead homies.“
Megaloh, Laas Unltd, Bonez MC & Maxwell, Edgar Wasser, Alpa Gun & Du Maroc
Bits and Pieces auf deutsch, die Zweite: Megaloh steuert einen Part zum Album von Grace bei. Das Goldkehlchen hat auch schon auf „Endlich Unendlich“ ordentlich geträllert und macht jetzt ihr eigenes Ding. Checkt „Kleine Welt„.
Laas Unltd flext in „Cuffin Season RMX“ ordentlich rum:
Alpa Gun, Kurdo und Du Maroc liefern Durchschnittskost, aber auf einem monströsen Beat: „Lass Ma„.
Bonez MC und Maxwell von der 187 Straßenbande aus Hamburg freuen sich hingegen wie eh und je ihres Lebens. Dieses mal, weil es „Freitag“ ist und man im Park geil abhängen, Kiffen und Grillen kann. Außerdem kommt die Polizei vorbei und obendrein gibt es einen tollen Kroko-Kuchen. Anscheinend kommt sogar bald ein Sampler. Wenn das mal kein Schnapp ist!
Dann wäre da noch dieser Edgar Wasser: Umtriebig wie gewohnt sendet er jetzt auf einem „Piratensender„. Unterstützung erhält er dabei von Paulinger und Lux, wer auch immer die sein mögen.
Last, but not least nimmt uns Silla in „1984“ mit durch seine Lebensgeschichte. Kann man sehr gut machen und der nachdenkliche Kram steht dem Audio Anaboliker eh gut zu Gesicht.
Brenk Sinatra, Fid Mella, Eloquent & Knowsum
Bits and Pieces auf deutsch: Brenk Sinatra und Fid Mella bringen zusammen „Chop Shop 2“ raus – und dazu gibt es jetzt mit „Fanta“ (-sie) ein wundervolles Video und Lied. Instrumental-HipHop-Musik, wie sie sein soll:
Eloquent ist, seitdem ich ihn auf dem All4HipHop-Jam 2013 in Leipzig gesehen habe, einer meiner heimlichen Lieblingsrapper auf deutsch, auch wenn ich ihn nur selten höre. Er haut auf jeden Fall ein Video zu „Zweiter Versuch“ raus, das als Vorgeschmack auf „Skizzen in grau“ herhalten muss. Das gemeinsame Album von I.l.l. Will und Eloquent erscheint am 13.10.2014 auf Sichtexot. Wie gewohnt spittet Eloquent rotzig, on point und ehrlich über einen rumpelnden Bummtschack-Beat von i.L.L. Will. Das Video stammt von J. L. Bessling:
Um Einiges verschrobener klingt der experimentierfreudige Knowsum mit „Sorry, something went wrong“. Auch ein Sichtexot. Und es sieht auch so aus: