Retrogott & Hulk Hodn sind die Besten: Am Mittwoch war ich auf einem Konzert der beiden Artists formerly known as Huss & Hodn, aka Kurt Hustle und Hodini. Da habe ich mich bestens amüsiert. Vergesst das: Ich hab‘ mich kaputt gelacht. Denn Shows vom Retrogott funktionieren ein bisschen so wie die von Helge Schneider. Nur, dass es hier noch deutlich politischer zugeht.
Überhaupt: Wenn Ihr politischen Rap hören wollt, seid ihr hier richtig. Obwohl oder vielmehr weil der Retrogott komplett ohne dumme Phrasen oder erhobenen Zeigefinger auskommt. Ich empfinde die Art, wie er sich mit wirklich wichtigen und ernsten Themen auseinandersetzt, als extrem angenehm und intelligent: Mit beißender (Selbst-)Ironie und bitterbösem Scherz. Live ist das alles noch geiler: Von Improvisation her und dem unprofessionellen Charme, der das Ganze umweht.
Egal, ob es eigentlich um Xenophobie, Religion oder wacke Rapper geht: Die Punches vom Retrogott sitzen – immer, auch wenn er keine Namen nennt. Das funktioniert blendend, auch ohne Signalwörter. Zum Beispiel: Ich habe noch keinen besseren Song zum Themenkomplex „besorgte Bürger“, PEGIDA, AfD und Verschwörungstheorien gehört, als „Die Bedrohung“ von Retrogott und Hulk Hodn. Sorry, Fatoni, Veedel Kaztro, Eko und Co.!
Dazu kommt: Mehr Meta als Retrogott-Texte sein geht nicht. Außerdem haben die anderen eben keine Hulk Hodn-Beats. Das Album „Sezession!“ gibt es in voller Länge auf YouTube (siehe unten) und es scheint dort auch bleiben zu dürfen. Gut für euch, denn eigentlich sollte es nur auf der zugehörigen Tour verkauft werden. Ich habe leider keine Platte, sondern nur noch eine CD ergattern können, die obendrein auch noch fehlerhaft ist. Aber das macht nichts: Es passt zum Rest.
Also, versteht das hier bitte als dringende Anhör- und Auswendiglern-Empfehlung. Ich muss dabei immer noch andauernd Pause machen, um mir Textzeilen aufzuschreiben, die mir besonders gefallen. Einige davon packe ich mal hier mit rein, vielleicht bringen sie ja den einen oder die andere dazu, sich das Album anzuhören. Und anschließend auf ein Konzert vom Retrogott zu gehen. Tut es! Es lohnt sich.
„Wenn der Teufel im Detail steckt, erklärt das, warum Gott so ein Kortinthenkacker ist/wenn sich jeder selbst der Nächste ist, warum rückst du mir so auf die Pelle? Und das auch noch im Internet?/ Ich nehme keine Auszeit, ich mache die Zeit aus/Es gibt noch Gurken und Tomaten in mei’m Treibhaus“
„Selbst ist der Mann und fremd die Frau/halt‘ mein Geschlecht in den Spiegel und erkenne genau/was es ist: Nur ein Riss in der Fläche, ein ich aus der Dose/Meerjungfrau in Badehose/steck deine Prothesen in die Arschtreterschuhe/lebe eingeengt für ein paar Quadratmeter Ruhe“
„In fernen Galaxien entdecke ich neue Songkonzepte/und rappe in der Zukunft immer noch darüber/dass alle noch wacker sind als früher“
„Deutscher Rap ist gleichzeitig dumm und verkopft“
„Geschmacksfragen haben dein Gewissen verwirrt/wir fressen uns tot, denn es heißt friss oder stirb/wir werden groß und stark davon“
„Der Kampf bleibt aktuell/die größte Massenvernichtungswaffe ist die Masse selbst/Demokratie beißt sich in den Schwanz, und der Schwanz beißt zurück“
„Sei gerade dann frei von allen Sünden, wenn du keinen Stein hast/und wirf das Handtuch, mit dem du sonst auf der Bühne rumwedelst/instrumentalisierte Gefühle des Ekels geben dem Gesamtbild den letzten Schliff/die Masse hat sich neuerdings selbst fest im Griff“
„Manche glauben an Schicksal, andere haben ’ne Strategie“
„Die letzten zwei Zeilen müssen sitzen/obwohl sie viel lieber tanzen würden“